Max Dauthendey - Weltspuk

Weltspuk - Lieder der Vergänglichkeit Sommerelegie Jeder kommt einmal zu der Erde Rand, Wo das Land aufhört, Wirklichkeit und Zahl, Zur Versenkung, drinnen Jahr um Jahr verschwand; Wo kein Wegmal und auch keine Wahl Zwischen Nacht und Sonnenstrahl, Zwischen Berg und Tal. Sieh, das Sommergrün steht schon grob und groß, Manche Ranke, derb und kühn, in den Himmel schoß, Zuchtlos brüsten sich Unkraut und Gedanke. Berge Laub sind aufgebaut, Wachstum ohne Schranke, Als bringt nichts sie um, die sich aufgerafft vom Staube; Strotzend gafft der Baum aus der Blätterhaube. Gib mir deine Hand, dran die Adern blauen, Deine Hand, Die ich nicht am Wege blindlings fand; Deine Augen, Die auf Augenblicke wie goldsuchend schauen Und zum Sand. — Gleich sind aller Dinge Endgeschicke, Aller, welche sich zu leben trauen. Die Jahre Wie die fortgeworfenen Schalen von Nüssen, Wertlos und einsam, machen die Zahlen, Die von allen Jahren den Menschen bleiben müssen, In alten Blicken, den stillen und kahlen, Liegen die toten Jahre in Scharen, Die niemals aus dem Blut dir gefahren, Die in dir sich begraben wie in einem Spind Und dort wie mottenzerfressene Gewänder sind. Sie rascheln Tag und Nacht bei dir allein, Und nie mehr kann es um dich stille fein. Du sehnst den Tod und möchtest vom Frieden nur einen Happen. Der Tod ist wie ein neues Kleid vor deinen alten Jahreslappen. Schon gehen dir täglich viel Freunde im Tod verklärt um, Und die lebenden sind nie zu dir so zärtlich stumm. Da ist kein Stuhl drinnen im ganzen Hause mehr, Wo du sitzen könntest. Kein Stuhl ist von den Toten leer. Aber die Lebenden, die jungen, die noch lärmen, Sehen nichts als Durst und Hunger in den eigenen Därmen. Sie sind dir toter noch in ihrer Gebärde Als die Gräber mit ihrer hohen Hügelerde. Du kannst nicht lachen laut, weil die toten Jahre lächelnd Schweigen. Weinst auch nicht, weil die toten Jahre keine Rührung zeigen.

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