Max Dauthendey - Weltspuk

Und muß um Mitleid flehen. Und so geht's tausend Jahre fort. Vergänglichkeit, du müdes Wort, Du lösest ab die Tage; Du duldest weder Zeit noch Ort, Machst Wirklichkeit zur Sage, Den Liebesrausch zur Klage. Weltspuk Wir erstiegen, im Abenddunkel, Steinwege nach Westen, Sahen den Himmel wie einen Spiegelsaal liegen, Und die Sterne erschienen im grünlichen Quecksilbergefunkel, Wie ein Gewimmel metallischer Fliegen Eine schwarze Wolke, wie Tinte ausgegossen, Stand vor dem Glanz wie ein Fisch mit düstern Flossen; Und der Milchstraße glitzernder Drachenschwanz Schleifte nach sich eine verwilderte Lichtermasse, Daß unser Verstand fortschweifte und sich die Worte verwischten Und klangen, wie ein dünner Hammer auf hohlem Fasse Wir gingen über die Hügel unter den Ländern der Abendwolke, Gleichwie in kümmerlichen Gewändern und gleich blinden Verirrten, Verbrüdert mit dem Erdreich und dem Fledermausvolke, Dessen Flügel uns zur Seite schwirrten. Der Steinweg kletterte in die dunkle Feldseite, In das Maul des Himmels, das weit aufgerissen, Als lägen Titanen dort ohne Gewissen Mit den alten Manen der Götter im Streite. Ein mächtiger Stern, hell geschleudert von unsichtbaren Gestalten, Fiel voll Hitze grell und mußte dunkel erkalten. Wir standen in seinem Lichtblitze auf der Erde Kruste Und versanken, wie der Stern, ins Unbewußte. Wir bestaunten das Leben wie eine große Kinderpuppe Und erwarteten einen Schrei der Sternengruppe, Aus deren Mitte sich einer zu Tode fiel. Doch lautlos und einerlei Trieb die Nacht ihr verwegen Spiel, Verbrannte Welten wie eines armen Menschen Hirn und Haus Und rannte alte Sterne um und teilte neue Sterne aus. Max Dauthendey, 1867-1918

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