Max Dauthendey - Weltspuk

Wenn eine Taubenschar mit rauschendem Flug An die blendende Nachmittagluft aufschlug. In der Tauben Reich, über die braunen Dachziegel, Ist die Sonne gefetzt als der Stille Siegel. Und die Tauben und Sonne geben sich Zeichen, Schreiben Schatten, die über die Dorfstraße streichen. Weil alle Dinge sich verstehen müssen, Wie geheime Verliebte, die sich verstohlen grüßen, Die sich mit ihren Blicken stärken, Und kein Mensch kann es sehen, noch merken. Feuerzeichen im Abend Der Abend schaut über die Fensterkanten Durch herbstliche Laubberge, die braungebrannten. Ich sehe Wolken ihre Lichtersprache schreiben Über den Bergen, die ewig unbeweglich bleiben. Und Wolken fleischfarbig, wie Menschen nackt, Hat eine Sehnsucht und eine Scham angepackt, Die wollen nicht mehr am Fleck kalt stehen, Müssen wie brennende Scheiter in Hitze aufgehen. Hin über Den Himmel, groß bewegt, Der Abend sein Feuerzeichen schlägt. Er fällt in die Kammern und Fenster hinein, Überschwemmt wie heller vergossener Wein, Er reißt alle Menschen wie Wolken mit. Nur verliebtes Blut hält mit ihm Schritt, Und die Arme langen heimlich hinaus, Und Brände brennen die Augen aus. Spuren des Mondes Wir gehen den Spuren des Mondes nach, Unsere Schatten zeichnen sich nur schwach, Sind wie dunkle Geister, die uns begleiten, Die auf den Fersen uns folgen zu allen Zeiten. Ein Baum steht am Weg mit dunklem Dach, An dem der Mond sich leicht anlehnt. Unterm Baum sitzt die Sehnsucht unendlich wach, Und ihr Schatten sich rings um die Erde dehnt. Der Mond läßt hinter sich den Wald, der ist blau, Und das Kleefeld, das blinkt voll Blätter und Tau. Die Nachtluft, die lautlose Seufzer trinkt, Hin unterm Mond auf das Kleelager sinkt. Der Sehnsucht, der ist kein Weg zu rauh, Und ihren Wegen kein Ende winkt.

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