Max Dauthendey - Weltspuk
Rein Vogelschatten sich zu rühren wagte, Als ob ein jeder Flügelschlag verzagte. Nur steinern alle Wolken droben drohten Und wurden wie die mächtigen stummen Noten Von einem großen Liede aller Toten. Die Menschen aber unterm Liede gingen Wie Silben, die dir Wort und Sätze bringen Und atemlos nach Reim und Rhythmus ringen. Die Toten tranken die Welt mir leer Es lag der Abendwind auf der Lauer, Es stieg der Mond auf die Gartenmauer, Nur ein paar Blätter im Baum waren wach, Und die gespenstige Fahne hing schaukelnd am Dach. Der Himmel war starr, ein Schild aus Eisen, Daran die Sterne wie Nägel gleißen. Unsichtbar hält einer den Mond am Schopf, Wie einen blutleeren abgehaunen Kopf. Der Mondschein kam suchend zu ein paar Tischen, Wollt' sich in ein paar Gedanken mischen, Als ob er mit kahlen Augen mich maß, Und er schaute mit mir in mein volles Glas. Es haben mir tote Gedanken gewunken. Ich sah in die Felder, hab' nicht mehr getrunken, Und mein Kopf wurde wie ein Steinhaus schwer, — Die Toten tranken die Welt mir leer. Indes die Sonne verrinnt wie ein vergossener Tropfen Das Waldtal in Purpur und Ocker prunkt, Wie eines Malers verwegene Palette; Bergfernen in Indigo getunkt, Silberfelder voll Disteln und Klette. Die Mückenschar spielt, als gab's seinen Tod, Über braunen Dornen Punkt an Punkt; Durchsichtig durchtanzt sie das Abendrot. Du reißt dir über den Dornbusch gebückt Die korallenrote Hagebutt', die dich entzückt, Trägst sie an der Brust, läßt dein Herz dran klopfen; Und dein Blut sich dabei auf die Rose besinnt, Indes die Sonne verrinnt wie ein vergossener Tropfen, Als ob sich eine Raupe in Fäden einspinnt. Im Mondschloß Die Mondnacht war wie ein goldenes Schloß gemacht, Schwebend über der Zeit, mit offenen Toren himmelweit, Mit Silbersaal an Saal gereiht,
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