Max Dauthendey - Mein Lebenslauf 90er Jahre
vorauswissend, wo die andern erst an der Tür des äußeren Ereignisses stehen. Aber die Verinnerlichung, in der er zum zweitenmal die äußeren Erschütterungen in sich lautlos nachleben und in Worte und Rhythmen bringen muß, ist ihm wichtiger und scheinbar wirklicher. Ein Dichter im Verkehr wirkt deshalb immer unbequem, rätselhaft und ungelenk. Er scheint nur mit dem einen Fuß mitzutanzen, während die andern mit beiden Beinen Lebensgaloppaden ausführen. Ein ernster Dichter wird immer den Frauen und den Männern ungesellschaftlich vorkommen, denn während sie ihn noch im Gewande oder in den Melodien seiner letzten Werke sehen und ihn darüber befragen möchten, hat seine innere Welt längst neue Töne angeschlagen, und er kann den Fragenden nicht einmal mehr antworten, da er fortgerückt und tief benommen ist von dem neuen Schöpfungsfieber, das ihn gepackt hat, und das ähnlich ist dem Fieber bei einer wogenden Schlacht. Es würde keinem vernünftigen Menschen einfallenden einem Feldmarschall beim Höhepunkt einer Schlacht Aufmerksamkeit für andere Ereignisse als die mit der Schlacht zusammenhängen, den zu verlangen. Ein anderes Verhältnis besteht aber zwischen Welt und Dichter. Der Dichter, der nur für die Schlacht in seinem Inneren Ohr hat, wird meistens als unvernünftig angesehen, wenn er sich in seiner Hingerissenheit nicht zugleich auch in seiner äußeren Welt so fest behaupten kann wie die andern. Er gilt als dumm und blöd, wenn er sich dort nicht helfen kann, wo die anderen sich spielend helfen. Er gilt der Welt als frech und anmaßend, wenn er Ansprüche an die Mitwelt stellt, die ihm vom Standpunkt seiner Schöpferkraft aus klein scheinen, während die
RkJQdWJsaXNoZXIy MjA3NjY=