Max Dauthendey - Singsangbuch - Liebesgedichte
Durch alle Türen, die offen stehen. Auf glatten Dielen spüren Sie Windhauch, von Schatten Unsichtbaren Reigen. Im Dielenholze ertönen von Geigen seufzende Weisen, Von leisen Geigen, die keiner sieht, Die wie unter Schmerzen aufstöhnen. Nachts gucken die Lichter der Kerzen und des Mondes zu, Wie Gesichter, die zucken. Die junge Königin aber geht ohne Ruh, Bis ihre Augen einmal Alain trafen, Des Hofes Dichter, im blauen Mondschein eingeschlafen am Altan. Die Königin sieht nicht, daß gar nicht schön, fast läßlich der Sängersmann. Die Königin stund und beugt sich und küßt des Schlafenden Mund. Und das Gefolge sieht's mit an, entsetzt. Keiner sich ihr Gelüste erklären kann. ,,Ich küßte den Mund, der mir wohlgetan Mit schönsten Worten, mit tugendhaften, flug erkoren, Kein Mund in meinem Königreich Tat's diesem schlafenden Munde gleich. Doch wer eines Dichters Seele küßt, der stirbt daran. Schaudernd fühlt sich Unsterblichkeit für Sterbliche und tödlich an. Wie häßlich, Herrn und Damen, euer Lächeln ist! Mehr Leben, ach, gottlob, daß du nur sterblich bist!" Die junge, junge Königin,
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