Max Dauthendey - Haus im Guggelesgraben 37

Aber im Mai schon hatte ein strömender Regen eingesetzt. Meinem jungen Garten war der sehr willkommen. Aber der Lehmweg von meinem Häuschen zur Landstraße hinunter war unergründlich geworden, und der Regen machte mich zum Gefangenen. Ich konnte wochenlang Haus und Garten kaum verlassen und sah gelangweilt auf den fernen verschleierten Waldberg und auf die Weinbergabhänge, die über den Baumwipfeln des Guckelesgrabens vor meiner Gartrentüre verwaschen dalagen. Und es regnete weiter. Es regnete den Juli, es regnete im August, fortgesetzt ohne Ende, Tag und Nacht. Nur manchmal schlich sich eine Sonnenstunde in die nassen Waldberge, die dann die dann dampften wie schwitzende, rauchende Pferderücken. Das Getreide oben auf der bergfläche lag verregnet an allen Geländen, und es konnte nur schwer geerntet werden. Die Kartoffeln in den Feldern drohten zu faulen, und vom Dorf Höchberg hinter dem Hügel, von wo mir täglich Milch, Fleisch und Gemüse ins junge Landhäuschen wanderten, hörte ich Klagen und Sorgen der mich besuchenden Bauersleute über den Regensee, den der Himmel über uns ohne Ende ausschüttete. Es wurde mir zu bunt, der einfarbige Regen benahm mir die Garten- und Waldfreuden, und für einen solchen langfädigen, Monate dicken Regen war das kleine Häuschen mit seinen fünf winzigen Zimmern nicht berechnet. Der Regen jagte mich endlich Ende August aus meinem verschwiegenen Waldnest. Der ewige Regen jagte mich aus Franken, aus Bayern, aus Deutschland über die Alpen nach Italien. Man hatte mir vom Lido bei Venedig geschrieben, daß dort nur blaue See und blauer Himmel wären. Die Farbe Blau hatte ich seit einem Vierteljahr vor lauter Regen gar nicht mehr zu Gesicht bekommen können. Ich sehnte mich nach Himmelsblau. Am 23. August schloß ich mein Häuschen im Wald und meine Gittertür im Garten von außen zu und ging den Hügel am Guckelesgraben entlang bergab. Unten bestieg ich einen Wagen, fuhr in einer halben Stunde nach meiner Heimatstadt Würzburg zum Bahnhof und bestieg den Zug nach Italien...

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