Max Dauthendey - Auf dem Weg zu den Eulenkäfigen

und die äußere Zartfühligkeit Dagons gab den Räumen jene unnachahmbare lässige Vornehmheit, die den Besucher glücklich einlullte. Erlesene Bücher, erlesene Kunstwerke und Musikinstrumente täuschten jeden, der nicht eingeweiht war in die Herzensschrecknisse, die sich hier zwischen zwei Lebenskameraden abspielten. Claudia leitete ihr Haus lautlos, erzog ihr Kind glücklich und wußte sich immer ihren Freunden in ihrem Äußeren reizvoll modisch in Kleid, Haartracht und Schmuck zu zeigen. Nie fehlen Blumen auf ihrem Teetisch, nie geht bürgerlich langweilige Luft durch ihre Zimmer. Es ist Claudia ein Genuß, wenigstens äußerlich glücklich zu wirken – auf die nicht Eingeweihten, die nicht in ihren schwarzen Augen zu lesen verstehen. Lange Zeit erschien sie immer als glückliche Gattin, die, leicht die Achsel zuckend, die Lebensweise ihres Mannes hinzunehmen schien. Und viele mögen verblüfft gewesen sein, als Claudia plötzlich mit dem Kaukasier verschwand. Aber nicht einer hatte es ihr beim näheren Hinsehen verdenken können. Und nun zurückgekehrt, scheint sie die Rolle der Glücklichen nicht mehr harmlos spielen zu können. Dazu ist ihr Gesicht doch zu blaß geworden, und ihre Züge sind wachsmaskenartig erstarrt. Ihre Augen funkeln nicht mehr lebenstrotzig. Der Trotz sieht versteinert aus und steckt als Kern in ihrem Herzen. Am Weihnachtsabend, als ich bei Claudia und Dagon mit einigen Gästen eingeladen war und jene Frau uns alle unter den brennenden Weihnachtsbäumen ihres Salons beschenkte, da schien es für Sekunden, als könnte doch vielleicht das Wachs ihres Gesichtes nochmals weich werden und schmelzen. Dann aber, als es während des Abendessens klingelte und unter den Geschenken, die von Bekannten geschickt wurden, auch Aufmerksamkeiten von einigen Damen waren, deren Gunst Dagon in letzter Zeit errungen hatte, da sah ich, wie Claudia zu frieren begann. Trotzdem die Zimmer von der Wärmeleitung und den Weihnachtskerzen heiß waren, bat sie, daß man die Fenster schließen möchte, das eine der eingeladenen Damen geöffnet hatte. Die Gepeinigte fror von innen heraus. Ich glaube, sie muß ihr Herz in diesem Augenblick so schmerzend gefühlt haben, wie man in der Winternacht das Eisen einer Türklinke brennend kalt fühlt, wenn man die Hand darauf legt. Dagon hat schon längst keine Geheimnisse mehr vor seiner Frau. Das letzte Schamgefühl ist zwischen ihnen gefallen. Im Gegenteil, er will, daß Claudia nichts fühlen soll und nichts mit ihm teilen soll als die Lust, die ihm seine Abenteuer geben. Sie soll die Lust an dem Verbrechen, das er an ihrer Liebe begeht, sich selbst verleugnend mit ihm genießen. Wieder haben jetzt beide eine Wohnung, in der kein Hauch von Unglück zu spüren ist. Die hellen weißen und himmelblauen Gemächer, mit gelbseiden verschleierten elektrischen Lampen und voll mit Bildern und Büchern und von zierlichen

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