Max Dauthendey - Die acht Gesichter am Biwasee

1) Die Segelboote von Yabase im Abend heimkehren sehen Hanake hatte allen Körperschmuck, den ein japanisches Mädchen sitzend, trippelnd und liegend zeigen muß, um zu den göttlichen Schönheiten der Vergänglichkeit gezählt zu werden. Ihr Hals war biegsam wie eine Reiherfeder, ihre Arme kurz wie die Flügel eines noch nicht flüggen Sperlings. Saß sie auf der Matte und bereitete ihren Tee, so arbeitete sie vorsichtig wie unter einer Glasglocke. Ging sie abends mit ihrer Dienerin auf den hohen Holzschuhen zum Theater, so war sie unauffällig, als hätte sich ihr Körper mit der Sonne zur Ruhe gelegt, und als ginge nur ihr Schatten mit der Dienerin und der Papierlaterne den Weg zu den Schatten. Lag sie in der Nacht hinter den geschlossenen Papierwänden ihres Hauses mit frisiertem Kopf auf der Schlummerrolle und zog mit den Fingerspitzen den seidenen Schlafsack ans Kinn, so war ihr feines, vom Mond beschienenes Gesicht vornehm, als wäre es aus Jadestein geschnitten und erschien unzerbrechlich und unvergänglich. Hanake war das reichste Mädchen am Biwasee, nicht bloß reich an der äußeren Schönheit, welche die Frauen ruhig und wunschlos macht, – auch reich an Besitz. Die Götter der Vergänglichkeit hatten sie mit ihren glänzendsten Geschenken, mit Schönheit und Geld, verwöhnt. Aber auch die Göttin der Unendlichkeit hatte ihr eine Seele in die Augen gegeben, so daß ihre Augen weinen konnten, denn die Wollust der Träne ist das höchste Geschenk dieser Göttin. Lange, ehe der Krieg Japans mit Rußland begann, hörte Hanake in ihrem Hause am Biwasee von Freunden und Freundinnen, die im Sommer über

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