Max Dauthendey - Der Geist meines Vaters
Der Geist meines Vaters Ein Lebensbild Heute war ich am Grabe meines Vaters. Unsere Familiengruft, in welcher mein Vater und meine Mutter begraben liegen, suche ich manchmal auf, um mich zu überzeugen, daß der Gärtner, dem das Grab in Obhut gegeben ist, seine Pflicht tut. Ich kaufe dann in der Gärtnerei, die neben dem Kirchhof liegt, ein paar blühende Blumenstöcke und lasse sie von einem Gärtnerburschen an das Grab tragen. Wenn der Gärtner am Grabstein die Blumentöpfe niedergestellt und sich wieder entfernt hat, lese ich gern die Jahreszahlen der Geburts- und Sterbetage auf der schwarzen Marmortafel. 1819 wurde mein Vater geboren, 1896 starb er. Also liegt nahezu ein Jahrhundert mit ihm hier unter dem Efeu begraben. Dieser kleine Erdenfleck hat Herz, Augen und Gedanken in sich aufgenommen, die einmal, so wie ich jetzt, durch Millionen Meilen hindurch im Weltraum die ferne Sonne fühlen und durch Millionen Meilen hindurch nachts die Sterne betrachten konnten. Mein eigenes Herz aber und meine Augen und Gedanken können, wenn sie vor diesem Grabe stehen, die Gestalten der Toten nicht unter diese paar Fuß Erde zwingen. Meine Toten gehen mit mir hin zum Grabe und gehen mit mir vom Grabe fort. Nur wenn ich auf die Nebengräber sehe, die in langer Reihe den Weg säumen, an dem unsere Gruft liegt, nur dort
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