Max Dauthendey - Der Geist meines Vaters
und Sohn einen Schlußstein. In der kleinen Stadt Macao in China, die noch eine alte portugiesische Besitzung ist, sah ich in der Ladenwerkstatt eines chinesischen Zinngießers in einer Mauernische, die den Hausaltar darstellte, zwischen Opfertassen stehend, zwei wunderbar verschnörkelte Zinnleuchter. Jeder dieser beiden Leuchter hat die Form eines chinesischen Schriftzeichens, so erklärte mir der Chinese und sagte, jedes Zeichen bedeute: Glück und langes Leben. Ich kaufte damals die beiden Leuchter vom Hausaltar weg, denn die wunderbare Schriftgestalt derselben gefiel mir außerordentlich, und für meine Bezahlung konnte der Chinese sich mehrere neue Leuchter auf den Ahnenaltar stellen. Die alten Leuchter mochten viele Menschenalter schon den Ahnenopfern geleuchtet haben, und ihr Zinn war dick von geschmolzenem Kerzenwachs umkrustet. Die beiden Leuchter stehen nun bei mir in Deutschland vor meinen alten Familienbildern, und ihr Anblick bestärkt in mir die Liebe zum Totenkult. Wenn ich die zwei chinesischen, in Zinn gegossenen Schriftzeichen betrachte, sehe ich die vierhundert Millionen Köpfe lebenstüchtiger Chinesen, die vor allen Geistern der Welt die Geister der Toten am höchsten verehren. Sie sagen, das Andenken vergangener Lebenstage und die Ehrung gewesenen Lebens befruchtet den Menschengeist mit Weisheit. Aber Weisheit gibt wiederum langes Leben und Glück. Drei Arten der Anbetung, sage ich mir, begründen, vertiefen und verschönern das Menschenleben; als erste: die Anbetung des Mannes
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