Max Dauthendey - Der japanische Holzschnitt

20 Sang-BumChin – Michael Mayer erfährt. In seinem Gemälde situiert Manet seinen Freund, den Dichter Zola, nah- liegender Weise am Schreibtisch, wo dieser in die Lektüre eines Buches vertieft ist. Auf dem Schreibtisch stapeln sich Papiere und weitere Schreibutensilien sind dort arrangiert. Der Schriftsteller Zola trägt europäische Kleidung und weist keine japa- nischen Attribute auf. An der hinteren Wand fällt die Abbildung eines japanischen Samurais auf. Dieses Bild lässt sich als Farbholzschnitt identifizieren, wie Sybille Rau- scher attestiert: „Auf manchen Gemälden sind in einem Interieur japanische ukiyo-e an der Wand zu sehen (z. B. auf Manets Porträt von Emile Zola), was aber nicht mehr als eine Dokumentation der Japan-Mode ist. Manet hat allerdings auch manche für ihn wichtige Anregung durch die japanischen Holzschnitte erfahren […]“ (Rau- scher, 2008). Wird das Bild an der Wand als Holzschnitt identifiziert, kommt den japanischen Attributen in Manets Gemälde eine dezidiertere Funktion zu, als nur Dokumentation der „Japan-Mode“ zu sein. Denn die Präsenz des Holzschnittes zeigt sich in dem Gemälde auch dadurch verstärkt, dass der Dichter Zola ein Buch über den japanischen Holzschnitt liest (was im Original sehr deutlich zu erkennen ist). Der Dichter Zola macht sich in Manets Gemälde demnach mit dieser fremdländi- schen Kunsttechnik vertraut. Diese Motive sind nicht nur exotisches, schmückendes Beiwerk, sondern stellen die japanische Kunst des Holzschnitts im Bild selbst dar. Das Bild verweist somit auf die japanische Kunsttechnik. Der Holzschnitt wird als Element japanischer Kultur in einem europäischen Kunstwerk dargestellt. Als para- digmatisch für den Asieneinfluss auf die Impressionisten muss das Bild gelten, weil damit bereits das transkulturelle und intermediale Moment angelegt ist. Es stellt eine Verbindung zwischen der bildenden Kunst Asiens und der europäischen Kunst und Literatur her, denn der Literat Zola liest im Medium des Bildes ein Buch über die Holzschnitttechnik. Ähnliches findet sich in Vincent van Goghs Gemälden, die sich mit ihrer stilistischen und motivorientierten Imitation des ukiyo-e ebenfalls auf die japanische Kunsttechnik beziehen (vgl. Bazin 1971: 491). Die „japanische Farbenfreudigkeit und die gleitende Perspektive“ – etwas, das sich in Europa nicht findet – begeistern Vincent van Gogh. Die „schwingende Linien­ kunst“ und die „unsymmetrische Flächigkeit der Bildfüllung“ (vgl. Bazin 1971: 693) erlebt van Gogh als Beginn einer neuen Bewegung in der europäischen Kunst. An seinen Bruder schreibt van Gogh, dass ihn die japanische Kunst „heiter und glück- lich“ mache (zitiert nach Rüger 2013: 13). Er konzentriert sich auf die Farbholz- schnitte von Hiroshige und Kesai Yeisen (vgl. Bazin 1971: 693). Das Gemälde Die Kurtisane aus dem Jahr 1887 hat van Gogh nach einemHolzschnitt von Kesai Yeisen 7 entworfen. Dieser Holzschnitt ziert als Reproduktion die Titelseite der Zeitschrift Paris illustré im Jahr 1886. Das Gemälde Die Kurtisane bettet die titelgebende Figur in eine japanische Seero- senlandschaft ein, in der Bambus und Kraniche arrangiert sind. Mit der Wahl des Motivs „Kurtisane“ stellt sich van Gogh in die Tradition der japanischen Holzschnitte (vgl. Schulenburg 2012: 29) und wählt ein japanisches Motiv, das in Europa in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch weitgehend unbekannt ist. Die spezielle Funktion der Geisha in der japanischen Gesellschaft ist zu diesem Zeitpunkt nur eingeweihten Europäern, wie Politkern, Forschern oder anderen Reisenden bekannt.

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