Max Dauthendey - Der japanische Holzschnitt
18 Sang-BumChin – Michael Mayer Linhart bezeichnet den japanischen Holzschnitt ukiyo-e deshalb als „Medium der Gegenöffentlichkeit“ und als Karikatur des gesellschaftlichen Geschehens (vgl. Lin- hart 2014). 6 Die Künstler können in den Holzschnitten alles darstellen, was öffentlich sanktioniert ist. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfährt der japanische Holzschnitt besonders bei den deutschsprachigen Autoren eine Konjunktur. Entweder arbeiten sie ihn inhalt- lich in ihre Texte ein oder stellen die künstlerische Technik aus, die zudem auf die Produktionsebene der eigenen Texte verweist. Diese These soll belegt werden, indem zunächst der Blick auf Gemälde von Édouard Monet und Vincent van Gogh gerich- tet wird, um dann ausgewählte Texte von Peter Altenberg und Max Dauthendey zu untersuchen. Die bereits erwähnten Begriffe Transkulturalität und Intermedialität werden für die Interpretation dieser Sachverhalte nach Wolfgang Welsch und Irina Rajew- ski verwendet, die praktikable Ansätze entwickeln. Welsch wählt den Begriff der Transkulturalität, um sein Konzept von den beiden immer wieder zitierten Kultur- konzepten der Multi- und Interkulturalität abzugrenzen. Beide Begriffe basieren darauf, Kulturen als „abgeschlossene und sich voneinander abgrenzenden Einhei- ten“ (vgl. Welsch 1995: 42) zu verstehen. Aber „Kulturen bilden keine homogenen und kohärenten Einheiten, sondern sind untereinander verflochten, vermischt und vernetzt und zeichnen sich intern durch eine Pluralisierung möglicher Identitäten aus“ (ebd.). Sie haben deshalb gemäß Welsch „eine neuartige Form angenommen, die durch die klassischen Kulturgrenzen wie selbstverständlich hindurchgeht“ (ebd.). Er bezieht sich auf Ludwig Wittgenstein und seine Theorie, dass Kultur dort vorliege, wo eine geteilte Lebenspraxis besteht. „Jedes Individuum ist somit durch unterschiedliche kulturelle Anteile geprägt (Familie, Schule, Beruf, Nation, Frei- zeit etc.) und muss diese im Rahmen der Identitätsbildung miteinander verbinden“ (Welsch 1995: 42f). Das Konzept der Transkulturalität setzt den Akzent nicht mehr auf Differenzen und Ausgrenzung, sondern auf Gemeinsamkeiten und Integrati- onsmöglichkeiten. Irina Rajewski formuliert 2002 einen praktikablen Intermedialitätsbegriff, indem sie diesen von Transmedialität und Intramedialität abgrenzt. Während die Transme- dialität für „medienunspezifische Phänomene“ steht und die Intramedialität auf ein Medium begrenzt bleibt, ist es der Vorzug der Intermedialität sich auf Phänomene zu konzentrieren, die Mediengrenzen überschreiten und mindestens zwei „konven- tionell als distinkt wahrgenommene Medien involvieren.“ (Rajewski 2002: 19). Der Intermedialitätsbegriff lässt sich wiederum in drei zentrale Kategorien auffächern: in die Medienkombination (wie z. B. in der Oper), den Medienwechsel (wie z. B. die Literaturverfilmung) und die intermedialen Bezüge. Unter den intermedialen Bezü- gen versteht Rajewski das „Verfahren der Bedeutungskonstitution eines medialen Produkts durch Bezugnahme auf ein Produkt (=Einzelreferenz) oder das semioti- sche System eines konventionell als distinkt wahrgenommenen Mediums mit den dem kontaktnehmenden Medium eigenen Mitteln; nur letzteres ist materiell prä- sent“ (Rajewski 2002: 19). Diese Definition erlaubt die Beschreibung der Relationen zwischen dem japanischen Holzschnitt des 19. Jahrhunderts und der europäischen
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