Max Dauthendey - Der japanische Holzschnitt
28 Sang-BumChin – Michael Mayer Text präsentieren, was mit dem Begriff der narrativen Malerei zu fassen ist. Auch die ausschnitthafte Darstellung rekurriert auf die japanische Holzschnitttechnik. Die Perspektive auf die Szenerie im Text ist analog zur Naturdarstellung japanischer Holzschnitte. Die Adaption des japanischen Holzschnittes in Dauthendeys Biwasee Novellen ist vielschichtig. 18 Sie beginnt mit der Funktionalisierung der auf Holz- schnitten dargestellten Geschichten für das eigene Erzählen und endet schließlich auf der inhaltlichen Ebene, wo der Diskurs der Natur, der sich in Baumrinden nie- derschlägt, nur für den Eingeweihten zu entziffern ist. Die mediale Funktion der Holzschnitte wird literarisch fruchtbar gemacht, indem sich mit dem natürlichen Sprach-Code ein Gegendiskurs zur textimmanenten Gesellschaft konstituiert. Der japanische Holzschnitt − Eine intermediale und transkulturelle Rezeption Die Begeisterung für den japanischen Holzschnitt ebbt nach dem Ersten Welt- krieg wieder ab. Obwohl sich der Autor, Kunstkritiker- und Liebhaber Carl Einstein 1922 in seinem Text Der frühere japanische Holzschnitt diese Kunst noch einmal präsentiert und sich mit ihr auseinandersetzt, ist er sich der bereits abgeklunge- nen Faszination bewusst: „Ich schreibe diese Dinge mit dem Bewußtsein, die letz- ten abendlichen Reflexe eines vorläufig erloschenen Gestirns in reizvoll fälschender Spiegelung einzufangen […]“ (Einstein 240). Einstein drückt seine Leidenschaft für den Holzschnitt aus, auch wenn dieser für die europäische Kunst und Literatur keine impulsgebende Bedeutung mehr hat. Mit der Metapher des „vorläufig erloschenen Gestirns“ drückt er dennoch die Hoffnung aus, dass der Holzschnitt im zukünftigen künstlerischen Diskurs wieder an Einfluss gewinnen kann. Dieser Einfluss sollte in Europa allerdings nie wieder so groß werden, wie er es in der zweiten Hälfte des 19. und in den ersten vierzehn Jahren des 20. Jahrhunderts – im Impressionismus und Expressionismus – war, weshalb Einsteins Aussage als Abgesang gelten darf (vgl. Neundorfer 2002: 93). Der japanische Holzschnitt ist eng mit der Geschichte Japans und den politischen Umwälzungen des 19. Jahrhunderts verbunden. In dieser Zeit erhält diese Ausdrucks- form durch die Künstler Hiroshige II und III die Funktion politische Geschehnisse, wie die des japanischen Bürgerkriegs Ende der 1860er Jahre, transformiert darzu- stellen, wodurch der Betrachter der Farbholzschnitte zur Decodierung des Inhalts gezwungen wird. Linharts Bezeichnung des Holzschnittes als „Medium der Gegen- öffentlichkeit“ trägt all diesen Funktionen dieser Kunstform Rechnung und macht auch den transkulturellen und intermedialen Einfluss auf die Werke der Maler Manet und van Gogh sowie auf die deutschsprachigen Autoren greifbar. Verdeutlicht Manet in seinem Portrait des Dichters Emilè Zola die Beschäftigung der europäischen Künstler und Dichter mit der japanischen Kultur und der Kunst deutlich, so nutzt Vincent van Gogh den Holzschnitt als „Medium der Gegenöffentlichkeit“, indem er ihn in seinem Gemälde Die Kurtisane selbst als Bildgegenstand darstellt und mit der Kurtisane ein gesellschaftliches Tabu-Thema aufgreift. Neben der Übernahme von Haiku-Elementen zeigen sich Altenbergs Prosage- dichte durch die Farbvielfalt des japanischen Holzschnittes und der ausdruckstarken
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