Max Dauthendey - vita et opus

Oft hat man bei Max Dauthendey die Empfindung: Ein Wanderer steht hundemüde an einem nächtlichen Gartenzaun; plötzlich kramt er aus der Hosentasche einen Diamanten, läßt ihn auf der offenen Hand glitzern; und nun ist ein Licht um ihn, ein verhextes Licht. Ja, dieser Dichter hat seltsame Phantasiedinge geschaffen! Wie hat er die Erde geliebt, Max Dauthendey! Es gibt keinen heutigen Dichter, der so stürmisch nach den Freudenkränzen der Welt gegriffen hat. Ein großer Liebender, ein ewiger Hochzeiter, glühend, leuchtend, rauschend. Keiner hat die Landschaft so gesehen wie er: Aus der Farbe heraussteigend, in Farben zergehend. Unvergänglich, wie er das gestaltet; üppig, wildwuchernd, über den Rand eines goldenen Bechers fließt unaufhörlich Wein. Plötzlich wieder steht ein Gedicht da, eine Strophe: wie ein Dachgiebel im Morgenlicht, von Schwalben umflogen. Wer das Wesen dieses Dichter enträtselt hat, wird in ihm einen hohen deutschen Besitz erkennen. Mörike ist das Bachklare, Eichendorff das Feldergrüne; und doch ist Dauthendey, der abseitige Dauthendey, ein Kamerad der beiden: ein seidiger Scheich in einer deutschen Mondnacht. Seine kleine goldene Flöte verrollt sich oft, versingt sich oft in Absonderlichkeiten, jagt oft einer zauberschönen Metapher nach, ist oft wie eine Tänzerin, die über eine Ballnacht der Farben die weißen Arme hebt, ihr Lächeln gleiten läßt. Die Bedeutung Dauthendeys als Lyriker tritt hinter seine Epik zurück. Hier zeigt sich nicht seine ganz persönliche Note; hier bezaubert er durch die Fremdartigkeit seiner Vorwürfe. Das schöne Buch ´Geist meines Vaters` gestaltet mit Andacht und Ehrfurcht ein Stück Lebensgeschichte. Seine anderen Bücher holen ihre Motive aus tropischen Landschaften, Urwaldstimmen darin; flackernd von der Landschaft und vom Märchenglanz fremder Menschen. Ergreifend seine ´Letzte Fahrt`. Die Zeilen zittern von Heimatsehnsucht und leben unter der Melancholie eines Dichters, der einen Stern nach dem andern verschwinden sieht und langsam in einer Rätselwelt auslöscht. Im Klang des javanischen Gamelang hört er die Glocken des Würzburger Domes geistern. Deutschland wird noch viele Jahresringe im dichterischen Kalender sehen; aber solche bezaubernden Zeiger, wie sie Dauthendey an die Jahresuhr malte, die werden so leicht nicht wiederkommen. Durch Mitteleuropa schlug die Blutwoge des Krieges. Ein deutscher Dichter saß in Ost-Java. Er wollte in die Heimat. Er durfte nicht. Einsam, verlassen, brach im fremden Lande sein Herz, das sich nach Deutschland totschrie. Wir laufen heute manchem Pfenniglicht nach, das uns irgendeine Mission vorgaukelt, die bald als schillernde Seifenblase zerspringt. Da liegt sie nun – die kleine trunkene Flöte Dauthendeys. - - Ja, haben wir denn vergessen, daß sie uns Feiertage singen kann? Max Jungnickel, 1890-1945 Aus :Vorwort von ´Raubmenschen` von Max Dauthendey, erschienen bei: Deutsche Buch- Gemeinschaft GmbH Berlin, Copyright 1911 by Albert Langen, Munich.

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