Max Dauthendey - Mein Lebenslauf 90er Jahre

Die Schriftsteller der achtziger Jahre dagegen, die, statt mit Tinte, mit Tier- und Menschenblut zu schreiben schienen, wirkten auf mich erlösend. Ich hörte eines Tages zwei Herren in Würzburg vor mir auf der Domstraße zueinander sagen: « Zola, dieses Schwein, sollte in Deutschland verboten werden.» Und ich wurde stutzig, denn die Gesichter derer, die das sagten, waren derart empört, daß ich sofort begriff: wenn diese Bürgerleute sich so aufregten, dann würde jener Schriftsteller – dessen Name ich oft gehört, aber von dem ich noch kein Buch gelesen – sicher sehr ernsthaft sein. In denselben Tagen war auch die Welt erfüllt vom Geschrei über Tolstois «Kreutzersonate». Und es hatten sich, wie für und gegen Wagners Musik, Streiter für und gegen die «Kreutzersonate» in allen geistigen Kreisen des Landes aufgemacht. Kühler lassend, aber auch aufrührerisch, wirkte das Auftreten Björnsons, der in seinem Buch «Der Handschuh» zum erstenmal die Forderung aufstellte, daß der junge Mann seine Keuschheit bis zum Hochzeitstage ebenso streng bewahren müsse, wie das junge Mädchen. Die Erde schien in jenen Tagen dem geistig Miterlebenden im tiefsten Geiste stündlich zu erzittern. Dem sicheren Gesellschaftsleben war außerdem in dem noch unsicher schwankenden Geist des neue Menschenrechte fordernden Sozialismus ein Gespenst erstanden, und nur die Dichter wurden vorerst angelockt von der noch unbedichteten Zyklopenwelt des Arbeitertums. Bei verweichlichten Gemütern mußte jedes Buch dieser neuen Gattung einen Schrecken erzeugen. Das Wohlbehagen der Bürgerlichen wurde gewaltig gestört durch die neuen Armuts- und Arbeitergestalten, die,

RkJQdWJsaXNoZXIy MjA3NjY=