Max Dauthendey - Singsangbuch - Liebesgedichte

Kleine Federn wehen fort im Winde, Wie einst Silberfäden, feine, von den Seidenschleppen. Stein fliegt zu Stein, und Berg zu Berg im Singen Ein Springbrunn spielte in dem Garten, der verschwiegen, Und lernte sich im heißen Mittag fliegen. Sein Plätschern und sein Tun, in das die Rosen starrten, Benarrten meine Schritte, und ich ging Ins Blaue, wie der kühle Brunn verstiegen, Auf eine Aue, die im Himmel hing. Saß nieder, lauschte lieblichem Gesing, Versank in meine Brust und ihre Lieder. Und Lieber machen selbst die Steine zarter, Die keine Worte kannten, können's plötzlich wagen, Und sich im Echo über Täler tragen. Stein fliegt zu Stein, und Berg zu Berg im Singen, Und Lieder können sie zusammenbringen. Ein Lied zieht durch verschloßne Türen. Wenn Lieder an die müden Menschen berückend rühren, So spüren sie nicht drückend mehr die Glieder, Entführen könnte dich ein schwacher Schmetterling, So leicht macht einen Menschen herzliches Gesing. Max Dauthendey, 1867-1918

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