Max Dauthendey - Gutshof NEUE WELT

Neben dem Geist meines Vaters wandere ich wie vor beinahe vierzig Jahren zur Osterzeit, als ich ein kleiner sechsjähriger Knabe war, heute zur Stadt hinaus, zwischen Festungsberg und Nikolausberg den Leutfresserweg hinauf. Dort oben steht an der Berglehne noch das große einfache Giebelhaus des Gutshofes, in welchem meine Mutter starb. Auf der efeubewachsenen Terrasse vor diesem Hause, das sich stark, einfach und mächtig auf den Bergabhang stemmt, sind die Ulmen und Kastanien, die ich als kleine dünne Bäumchen in Holzschutzkästen aufwachsen sah, zu großen hochragenden Stämmen geworden. Die Spitzen ihrer Wipfeläste heben sich über den hohen Hausgiebel fort. Viele Schicksale sind unter diesen Bäumen und unter diesem Giebel aus und ein gegangen. Meine Mutter war die erste, die in diesem Hause starb. Nach ihr haben die Jahre noch manchen mir lieben Toten dort aus der Haustüre fortgetragen. Ich wandere auf alten Spuren weiter. Hinter den Scheunengebäuden des Gutes führt der Weg sanft bergan, unter Apfelbäumen fort zu einem Akazienwäldchen, das der Besitzer des Hauses einst selbst gepflanzt hat und das sich an einem Hügel hinaufzieht. Hier unter den Akazien hat das Auge eine weite Schau über das Tal, über den Festungsberg, in das große Maintal hinüber. Fluß, Berge, Wälder, Himmel breiten sich bis an den Erdrand nach Norden, wo der glänzende Main verschwindet, als fließe er über den Himmelsrand. Hier oben auf den Akazienhügel hat der Sohn des Gutshofes ein Stück eines Eichenstammes hinaufbringen lassen. Der Platz hier wurde meinem Vater gewidmet, vor ungefähr zwanzig Jahren, als er sein fünfzigjähriges Jubiläum der Photographie feierte. Auf diesem Eichenblock saß der alte,

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